Ein Gebäude der Kuranstalt Schöneck bei Beckenried (erbaut 1870, abgebrochen 1983).

 

Die Hotelier-Dynastie Borsinger

Die Familie Borsinger prägte die Entwicklung der Badener Bäder im 19. Jahrhundert entscheidend mit. Sie führten die Badehotels Blume, Limmathof und Verenahof. Auch schweizweit waren die Borsingers bestens vernetzt und beispielsweise massgeblich am Aufbau der Kuranstalt Schöneck bei Beckenried beteiligt. Dazu waren sie verschwägert mit Hoteliers in Orselina, Bürgenstock und Seelisberg. Später führten sie auch das Hotel Kastanienbaum bei Luzern und die Krone in Lenzburg.

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Die Familie Borsinger wurde 1549 in Baden eingebürgert. Sie brachten Müller, Ärzte, katholische Geistliche und Inhaber politischer Ämter hervor. Von 1800 bis 1972 führte die Familie das Hotel Blume. Die Borsinger waren die wichtigste Hoteliersfamilie der Badener Bäder in der Blütezeit der Belle Epoque.

Caspar Joseph Anton Nicolaus Borsinger, (16. März 1779 – 23. März 1841) war das 15 von 16 Kindern des Josef Fridolin Borsinger und der Maria Clara Magdalena Wiederkehr. Er kaufte die Blume im Alter von 21 Jahren. In den 1800- oder 1810-Jahren unternahm er umfangreiche Renovationen, die später von David Hess in seinem Buch Die Badenfahrt gelobt wurden. Die Bäder und die Badgasthöfe Badens sieht Hess allgemein in einem schlechten Zustand. Es scheint, als wäre die Blume zu dieser Zeit eine positive Ausnahme gewesen. Caspar Anton Borsinger hatte mehrere Kinder von seinen beiden Ehefrauen, Maria Anna Elisabeth Borsinger-Dorer (die Dorer-Tochter aus dem Hinterhof) und aus zweiter Ehe von Karoline Borsinger-Hässig (1782-1849). Laut Testament wurde sein Besitz und somit auch die Gasthöfe unter den Kindern aus den beiden Ehen aufgeteilt.

Karl Josef interessierte sich für Musik und Gesang. Nach der Schule ging er ins Jesuitenkollegium in Fribourg, konnte aber wegen des frühen Todes des Vaters sein Studium nicht beenden. Gemeinsam mit seiner Mutter mietete Karl Josef Borsinger (1821-1852) die Blume. 1843 übernahm er schliesslich den Gasthof für 65‘000 alte Franken. Im Sommer war er Wirt, im Winter übte er im Hinterhaus das Handwerk als Wachspossier aus. Im Sonderbundskrieg musste er Dienst leisten. Im Alter von etwas mehr als 30 Jahren verstarb Karl Josef 1852 an Typhus. Josephine Borsinger-Herr war nun Witwe, allein verantwortlich für das Hotel und schwanger. Im Jahre 1872 übergab sie ihrem Sohn Franz Borsinger-Müller die Blume und mietete darauf eine Wohnung in der Stadt. Sie verstarb nach langer Krankheit am 24. August 1877.

Franz Borsinger besuchte nach einer Gehirnhautentzüngug die Taubstummenanstalt in Baden. Sein Vater starb, als er sechs Jahre alt war. Mit 13 Jahren ging er ins Pensionat Lauterach, blieb dort während zwei Jahren, um dann die Ausbildung in Freiburg bei Prof. Gersten anzutreten. Er war auch als Kellnerlehrling im Hotel Zähringer in Freiburg tätig, später im Queens Hotel in Manchester, wo er sich schnell hocharbeitete. Eigentlich wollte er nicht nach Baden zurückkehren, übernahm aber trotzdem die Geschäftsführung mit seiner Mutter. Er hatte den Grad eines Lieutnants im Militär, betrieb wie der Vater Gesang und Musik und war Mitglied geselliger Vereine. Franz Borsinger heiratete am 9. Januar 1871 Mathilde Müller. Während rund 25 Jahren prägten sie gemeinsam die weitere Entwicklung der Blume in der Blütezeit der Badener Bäder in der Belle Epoque. In diese Zeit fällt die prägende Renovation mit Atrium, Jugendstilsaal und Damensalon und Erweiterung der Bäder. Ebenso liessen sie von der Firma Schindler einen Lift einbauen.

Das Sylvesterbuch von Mathilde Borsinger-Müller ist ein eindrucksvolles Zeugnis dieser Blütezeit. 1897 musste Mathilde Borsinger-Müller den folgenden Eintrag darin notieren:

„Heute tauche ich die Feder in mein Herzblut, um das vergange Jahr zu skizzieren, denn ich schreibe als – Witwe.”

Am 6. August 1897 verliess Mathilde das Büro, offenbar mitten im Gespräch mit Franz Xaver. Als sie zurückkam, war ihr Mann an einem Herzschlag erlegen. Mathilde Borsinger-Müller führte darauf das Haus alleine weiter.

«Das habe ich dem lieben toten Vater [ihrem Ehemann, Verf.] stille angelobt, die Traditionen seines Hauses hochzuhalten und in seinem Sinne und Geiste die Hinterlassenschaft zu verwalten.“

Sie setzte dieses Versprechen um. Insgesamt war sie 38 Jahre in der Blume und half auch später noch stundenweise ihrem Sohn, Max Borsinger, bei der Arbeit. Sie starb im März 1925.

Max Borsinger besuchte ab 1891 die Bezirksschule Baden. Anschliessend absolvierte er ein Sprachstudium im Privatpensionat Renevey in Estavayer. Er wechselte 1896 ans Privatinstitut Erica in Zürich. Im Dezember 1898 reiste er nach London und um die Jahrhundertwende absolvierte er eine Wintersaison im Hotel de Russia in Rom, ein heutiges 5-Stern-Hotel. Am 3. Dezember 1907 verlobte er sich mit Bertha Walser aus Solothurn. Die Heirat erfolgte am 23. April 1908. Per 1. Februar 1909 übernahm Max Borsinger die Gesamtverantwortung für die Blume, samt Scheune, Stallung, Garten, Eiskeller, den Schartenreben und den Reben im Wettingerberg für die Summe von CHF 250‘000.

 

Die gemeinsame Tochter von Max und Bertha Borsinger, Maria Borsinger (2.4.1910-11.6.1988) absolvierte ein Jahr in der Romandie, als ihr Vater Max Borsinger 1925 unerwartet verstarb. Sie kehrte als 18-jährige in die Blume zurück, um ihre Mutter zu unterstützen. Sie besuchte Kurse in Hotelführung, war dabei bei den Sitzungen der Hoteliers und wurde nach und nach selbst zur Hotelière. Zusammen mit ihrer Mutter führte sie den Betrieb der Blume auch zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Damals war die Blume auch geöffnet, empfing aber weniger Gäste als zu Friedenszeiten. Maria Borsinger heiratete 1946 den Fürsprecher Dr. Max Kuhn. Jeden Samstag kamen sie aus Wohlen im Freiamt in die Blume zum Mittagessen, wo sie bis 1951 die Geschicke der Blume mit Bertha Borsinger-Walser (1880-1952) besprachen. In den 1950er Jahren wurde die Leitung des Hotels einer Direktion übergeben. Als Direktoren genannt werden die Herren Schobinger, Hanna-Suter und Benz-Werk.

Nach dem frühen Hinschied ihres Mannes kehrte Maria Kuhn-Borsinger zusammen mit der Tochter Verena im Frühling 1969 zurück nach Baden. Weder ihre Tochter noch der Schwiegersohn wollten die Blume übernehmen, weshalb sich Maria Kuhn-Borsinger für einen Verkauf der Blume entschied. 1972 verkaufte sie das Haus dem Ehepaar Johann und Heidi Erne aus Wettingen.

 

Beim Tod des von Caspar Anton Borsinger im Jahre 1841 erbten drei Söhne je ein Hotel: Caspar die Blume, Carl Josef den Roten Schild und Franz Josef den Halbmond & Löwen. Von 1841 bis 1843 mietete Karoline Borsinger-Hässig die Blume mit ihren Carl Josef und Franz Josef von ihrem Stiefsohn Josef Borsinger während eineinhalb Jahren. In diese Zeit fällt auch der Quellenfund im Löwen, späterer Verenahof. Unter Zeitdruck wurde die Quelle zuerst nur ungenügend gefasst, so dass die Arbeit wiederholt werden musste. Interessant ist, dass zu damals auch eine Zuleitung von dieser neuen Verenahofquelle zur Blume gelegt wurde. Damit bezog die Blume temporär Wasser aus einer neuen Quelle. Möglich gemacht hatte dies die familiäre Verwandtschaft der Borsingers. Verenahof, Limmathof und Schlüssel sowie die Blume waren in Familienbesitz. Es ist denkbar, dass man mit der neuen Leitung flexibler sein und sich im Fall eines erneuten Streits um Quellwasser absichern wollte. Der Plan Leemann von 1844 verzeichnet diese erwähnte Leitung. Im Verbal von 1858 zu den Badener Quellen steht, dass sie mit einem hölzernen Zapfen verschlossen sei. War es nur eine Sicherheitsmassnahme oder floss tatsächlich Wasser vom Verenahof in die Blume? Auf dem Plan Leemann ist auch zu sehen, dass sich 1844 deutlich mehr Bäder in der Blume befanden als vorher. Auch nennt ein Text von Diebold 1861 einen Trinkbrunnen. Es ist möglich, dass das rätselhafte Steingefäss im Atrium ein Teil dieses Brunnens war? Oder diente es einem anderen Zweck wie beispielsweise als Sammelbecken für Regenwasser? In späteren Plänen ist die Thermalwasserleitung jedenfalls nicht mehr eingezeichnet. Offensichtlich wurde sie nicht sehr lange genutzt.

 

Borsingers waren verschwägert mit der Hotelfamilie Amstutz (Bürgenstock, Orselina, Wil und Thalwil) mit Truttmanns (Seelisberg), mit der Familie Flüeler (Stanserhof in Stans) und mit dem Hotel Haller (Lenzburg). Sie waren massgeblich am Aufbau der Kuranstalt Schöneck bei Beckenried beteiligt, führten das Hotel Kastanienbaum bei Luzern und besassen die Krone in Lenzburg.

Maria Carolina Josepha, genannt Lina Borsinger, Tochter des Karl Borsinger-Heer, heiratete 1865 Michael Truttmann, den Hotelgründer und -besitzer aus Seelisberg. 1887 liess dieser das Hotel Sonnenberg mit 500-plätzigem Speisesaal bauen.

1868 erwarb Michael Truttmann das Anwesen Schöneck. Sein Schwager Carl Theodor Borsinger arbeitete dort ab 1872 zuerst als Kellner. Kurze Zeit später übernahm er die Leitung. 1874 kaufte Carl Theodor Borsinger die Kuranstalt. Offensichtlich war er sich der Wichtigkeit des Wassers bewusst: 1880 sicherte er sich eine eigene Wasserquelle. 1883 liess er ausserdem elektrische Beleuchtung installieren – zuerst im Haupthaus, später in den Nebengebäuden und im Hof. Der Strom kam vom hoteleigenen Elektrizitätswerk auf Rütenen, das Borsinger zum Pionier der Innerschweizer Stromerzeugung machte. Die Schöneck entwickelte sich damit zur bedeutenden Kaltwasserheilstätte mit Gästen wie Otto von Bismarck, Friedrich Nietzsche, Rainer Maria Rilke und vielen anderen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ging nichts mehr und 1932 musste die Aktiengesellschaft ihre Zahlungen einstellen. Die Missionsgesellschaft Bethlehem übernahm die Gebäude. 1983 schliesslich wurden die Häuser abgebrochen.

Ammann, Fred: Genealogische Kartei dynastischer Hoteliers und Gastwirte-Familien, Borsinger, Amstutz, Haller und ihre gastgewerblichen Allianzen, Grenchen, 1976.

Borsinger-Müller, Mathilde: Sylvesterbuch. Familienchronik der Borsinger zur Blume in Baden, Basel, 1997.

Flückiger Strebel, Erika: Kuranstalt Schöneck (Link)

Jung, Joseph: Als Hoteliers die moderne Schweiz bauten, Artikel im Blick, 28.12.2019. (Link)

Zimmermann, Thomas Kurt: Kuranstalt Schöneck, Vierwaldstättersee / Schweiz. Vom Kurhaus zum Missionsseminar. Buochs. 1999.

Weitere Bilder

 

Die Infopoints 13 und 14 befinden sich im Historischen Museum Baden.

Die Infopoints 1-12 sind im Atrium-Hotel Blume angebracht. (siehe Pläne unten)

Atrium-Hotel Blume – Erdgeschoss

Atrium-Hotel Blume -Erster Stock

Die Infopoints
10 / 11  / 12 befinden sich auf der zweiten und dritten Etage des Atriums.